Reisetagebuch Vietnam 1. bis 31. August 2002
1. August
In der Nacht sprang Tom plötzlich aus dem Bett. Der Grund: eine große Kakerlake, die wohl über ihn hinweg gelaufen war.
Um 4 Uhr früh, als es noch dunkel war, standen wir auf. Von Erwachen kann eigentlich keine Rede sein, ich glaube, ich schlief fast im Stehen weiter
. Um 5 Uhr sollte der Bus nach Hue fahren, wo nun endlich das Volley- und Federballturnier stattfand. Unterwegs hielt der Busfahrer an der Stelle an, an der der Wildhüter am Wochenende verunglückt war und zündete eine Kerze an. Bereits um 6 Uhr begann das Turnier, was eine sinnvolle Entscheidung war, waren dies doch die relativ kühlen Stunden des Tages.
Unsere Federballdamen im Doppel verabschiedeten sich schnell aus dem Turnier, während die Herren, die Volleyball spielten, sich wacker schlugen und nach weniger als zwei Stunden das Turnier für sich entschieden hatten. Was folgte, war eine langatmige Siegerehrung mit einer Endlosrede, worüber auch immer. Schließlich bekamen die Spieler jeweils einen Wimpel, einen Blumenstrauß und einen geheimnisvollen Umschlag.
Ich traute meinen Augen nicht, als dann für Fans und Spieler der siegreichen Mannschaften um 8 Uhr morgens, in der beginnenden Hitze des Tages, zu einer Bierparty mit Imbiß eingeladen wurde. Beim ersten Glas Bier gelang es mir nicht abzulehnen, aber danach achtete ich stets darauf, Cola in meinem Glas zu haben. Nach 45 Minuten war der Biervorrat geleert, und die Mannschaften traten den Heimweg an.
Ich entschied mich, noch ein paar Stunden in Hue zu bleiben und dann mit dem regulären Touristenbus, der nach Hoi An fährt, zurückzukehren. Die Zeit nutzte ich, um Geld zu wechseln, Emails zu schreiben und im Internet nach Nachrichten aus Deutschland zu suchen, auch wenn letzteres mal wieder ziemlich deprimierend war. Interessant war die Meldung, daß in diesem Jahr bislang 65 Menschen in Vietnam an Lebensmittelvergiftung gestorben seien.
Mit dem Touristenbus ging es dann zurück nach Bach Ma. Als ich in der Lobby unseres Hotels vom Wochenende auf den Bus wartete, zeigten sie im vietnamesischen Fernsehen ironischerweise Eiskunstlaufen. Diesmal gelang es mir auch, mich für 5000 Dong zum Park fahren zu lassen. Die Jugendlichen, die den Bus umlagert hatten, ließen mich einfach stehen, als ich ihre Preisforderung nicht erfüllen wollte. Erst ein alter Mann ging darauf ein. Ich verstehe es nicht, einerseits hat jeder Bewohner dieser Gegend im Schnitt weniger als 3000 Dong täglich zur Verfügung, andererseits entwickelt man auch nicht unbedingt einen Antrieb, sich etwas dazuzuverdienen. Diese Jugendlichen haben doch ein klares Interesse am Tourismus in Bach Ma, aber sie beschränken sich darauf, zu warten, daß ein Bus anhält und Leute ausspuckt, die sich ausnehmen lassen (auch wenn es sich nur um geringe Beträge handelt).
In Bach Ma hatte ich unterdessen wenig verpaßt. Als wir jedoch wie gewöhnlich zum Abendessen in die Kantine gingen, gerieten wir in eine Party der siegreichen Volleyballer, die zudem gerade begonnen hatte. Es gab gutes Essen, aber auch reichlich Bier.
In den geheimnisvollen Umschlägen von der Siegerehrung, so hatte sich herausgestellt, hatten 600.000 Dong (40 Euro) gesteckt für die Spieler plus noch einmal dieselbe Summe für den Park. Die Spieler hatten beschlossen, das Geld für eine Feier auszugeben, und für diese Summe bekam man für das Essen auch wirklich ausreichend Bier. Die einzigen englischen Worte, die jeder im Park zu kennen schien, ergaben den altmodischen Trinkspruch: Bottoms up.
Ich fand es gut, daß auch der Parkdirektor mit den Spielern, die meist einfache Wildhüter waren, zusammen feierte. Es war jedoch seltsam, daß der Unfalltod des Wildhüters vom Sonntag, der nach einen Volleyballtraining mit anschließendem gemütlichen Beisammenseins bei Bier nach Hause gefahren war und der, wäre er dort angekommen, auch Spieler in der Turniermannschaft sein sollte, keineswegs die Stimmung zu beeinträchtigen schien, aber vielleicht geht man hier ja anders um mit dem Tod.
Nach einer Weile tauchte Liesje auf, die ebenfalls nichts von dieser Party gewußt hatte und nur zu Abend essen wollte. Als wir schließlich gingen, beantwortete sie uns noch die Frage, wo eigentlich der Parkdirektor, Herr Keo, wohnt. Wir hatten vermutet, er hätte noch ein Haus im Dorf, aber Liesje sagte, er pflegte in unserem Gasthaus zu übernachten, bis ihm - nach einer Party wie eben? - dort ein Geist erschien. Seitdem würde er nur noch in seinem Büro schlafen, das sogar mit einem eigenen Badezimmer ausgestattet worden war. Gegen 9 Uhr verließ uns dann der Strom, wahrscheinlich wegen dem Gewitter, das sich irgendwo da da draußen abspielte.
2. August
Heute habe ich es endlich geschafft, das Tagebuch soweit einzutragen, daß der beschriebene und der erlebte Tag übereinstimmen. Seit Saigon hatte ich immer um bis zu 4 Tage hinterhergehangen, da man sich halt doch nicht jeden Tag so fleißig hinsetzt, um Buch zu führen.
Heute morgen gab es auch noch keinen Strom. Das war eine ziemlich heiße Nacht ohne Ventilator. Clare erzählte uns später, als sie gestern mit dem Fahrrad von Cau Hai zum Park gefahren sei, habe sie eine Relaisstation in Flammen stehen sehen. Der Vormittag ohne Strom brachte unsere Pläne für die Arbeit an der Studie ziemlich durcheinander. Erst gegen Mittag kam die Elektrizität zurück, und wir konnten wieder an die Computer. Wir baten Son, der gut Englisch spricht, darum, uns einen Fragebogen, den wir für die Hotels am Gipfel vorbereitet hatten, ins Vietnamesische zu übersetzen. Das Übersetzen klappte, aber er tippte so langsam, daß kurz vor dem Ende der Arbeit wieder der Strom wegging. Aber ich wäre wohl noch langsamer, wenn ich all die vielen vietnamesischen Sonderzeichen mittippen müßte. Manche Parkangestellte sind darin allerdings sehr virtuos. Da wir nicht zwischengespeichert hatten, hieß es dann, den Text noch einmal zu tippen.
Am Nachmittag gab Clare noch ihre Abschiedsparty, es war die 4. Feier in dieser Woche. Tom lehnte eisern allen angebotenen Alkohol ab, aber ich wollte nicht so unhöflich sein. Diesmal hielt sich das Feiern auch in Grenzen. Im Anschluß - es war noch hell - liefen Tom und ich einen Weg am Rande des Parks ab, um die Natur zu studieren. Zwar sahen wir nur Perlhalstauben und Schachwürger, aber wir entdeckten einen großen Friedhof am Weg mit vielen bunt bemalten Gräbern.
3. August
Heute begann zwar das Wochenende, aber nicht für uns, da wir uns vorgenommen haben, an 4 Tagen den Einfluß der Touristen auf die Gipfelregion etwas genauer zu untersuchen. Nach einiger Organisationsarbeit für Unterkunft und Verpflegung warteten wir vor dem Parkeingang, ob nicht ein Fahrer uns gegen ein Entgelt mit nach oben nehmen würde.
Am Gipfel angelangt erhielten wir von den Parkangestellten ein Zelt, denn am Wochenende waren alle Unterkünfte ausgebucht, und es blieb nur der Zeltplatz. In diesem Klima ist Zelten bestimmt angenehm, da macht auch das fehlende Wasser am Zeltplatz nichts. Als wir das Zelt aufgebaut hatten, beschlossen wir, uns die verschiedenen Wanderwege anzusehen, um Karten anzufertigen. Zuerst ging es zu den beiden Gipfeln, dem höheren, den wir bereits mit Liesje besucht hatten, sowie dem anderen, auf dem der Aussichtsturm errichtet wurde. Der Turm ist ziemlich neu: Plötzlich gab es Geld für den Park, da wurde er gebaut, auch wenn mir der Zweck noch nicht so ganz klar ist, denn Aussicht hätte man auch so genug von da oben, und im Inneren befindet sich nur eine provisorische Unterkunft für die Wildhüter, denen es aber zu zugig ist. In Anbetracht all des herumliegenden Mülls wäre sicherlich eine kleine Ausstellung zu diesem Thema angebracht, aber dafür gab es dann wohl kein Geld mehr, so daß das Innere des Turms im wesentlichen leer ist.
Auf einem Pfad durch den Dschungel liefen wir wieder hinab zu den Hotels. Es war keine der Hauptrouten, so daß es dort kaum Müll gab, dafür aber wunderschöne Aussichten auf das Parkgelände. Bei den Hotels angekommen, stellte sich uns die Frage, ob wir auch etwas zu essen bekommen würden, denn das mußte unten bestellt werden und wird dann hochgeliefert, aber schließlich klappte auch das. Nach der Mittagspause liefen wir noch einen kurzen Weg zu einem wunderschönen Wasserfall (Silvery Falls). In kleinen Wasserlöchern im Fels lebten dort riesige Kaulquappen, und eine Krabbe sahen wir auch. Das Wasser war schön kühl. Da noch Zeit war, beschlossen wir, ein Stück weit den Fünf-Seen-Weg entlangzulaufen, der einer der beliebtesten Wege im Park ist. Nach einem Stück durch den Wald erreichten wir den Fluß, in dem sich das Wasser in einem tiefen Becken staute. Da dort sehr viele Leute waren, liefen wir, vorbei an schmalen Felsgraten, an denen man sich entlanghangeln mußte, zum zweiten Becken. Es hatte eine Oberfläche von höchstens 50m², und das Wasser war kristallkar, trotzdem konnte man nur am Rand der flacheren Seite den Grund sehen, so tief war das Wasser. Ein wundervoller Ort für ein erfrischendes Bad. Das Wasser war fast schon zu kühl - was für ein Luxus in diesem heißen Land!
Beim Abendessen hatte Tom gesehen, wie einer der einheimischen Besucher des Parks ein Feuerzeug an eine große Assel hielt, die sich zusammengerollt hatte.
Als Tom sie ihm aus der Hand riß, erntete er nur Unverständnis unter den Gästen. Wir hatten diese Asseln schon ein paar Mal auf den Wegen gesehen. Bei Gefahr rollen sie sich zusammen, dann sind sie etwa kastaniengroß und sehen auch aus wie jene Frucht, nicht wie ein Tier. Durch die Hitze des Feuerzeugs sollte sie sich wieder aufrollen, aber das tun sie auch, wenn man nur ein wenig abwartet. Nach dem Abendessen war es bereits dunkel geworden. Zusammen mit einem Amerikaner, der allein reiste und ebenfalls zeltete, liefen wir zurück zum Campingplatz. Im Licht unserer Taschenlampe sahen wir große Frösche (oder Kröten?), die wohl gutes Futter für die vielen Schlangen sind, sowie einige Stabheuschrecken. Auf dem Zeltplatz war inzwischen noch eine Horde englischer Jugendlicher eingefallen, die ein Feuer unterhielten und bis spät in die Nacht lärmten.
4. August
Die vergangene Nacht im Zelt war nicht die allerbequemste, aber sie brachte ein nahezu vergessenes Gefühl zurück - ich habe gefroren.
In so vielen Nächten im Gasthaus habe ich einen kühlen Luftzug herbeigesehnt. Die Engländer waren auch schon wach, als ich aufstand. Fleißig durchsuchten sie die Umgebung nach Feuerholz und schreckten nicht davor zurück, ganze Bäume abzuhacken. Bislang fand ich das Naturverständnis der meisten Vietnamesen etwas gewöhnungsbedürftig, und ich war wohl gerade dabei, eine einseitige Meinung zu fassen. Jetzt wurde ich eines Besseren belehrt.
Das Zelt gaben wir dann wieder ab, da wir nun auch wieder ein richtiges Zimmer beziehen konnten. Unser Plan für heute war, unsere Fragebögen zu den Hotels zu bringen. Von ihnen erstrecken sich ungefähr 5 über 2 oder 3 Kilometer die Straße entlang. Minh, der wohl von den Parkangestellten hier oben das Sagen hat und als einziger Englisch spricht, führte uns zu allen Hotels. Später erzählte er uns, daß der Vizedirektor bei ihm angerufen habe und ihn bat, uns zu begleiten, da wir sonst auf wenig Kooperation gestoßen wären von seiten der privaten Hotelbetreiber. Auf den Wegen zwischen den Hotels erzählte Minh uns einiges über den Park, zum Beispiel daß nur aller 14 Tage sich 2 Leute auf den Weg machen, um den angefallenen Müll einzusammeln. Wir sahen auch wieder eine sterbende Schlange, diesmal war sie nicht überfahren worden, sondern jemand hatte ihr mit einem Stein das Rückgrat gebrochen, sodaß sie nur noch den Kopf bewegen konnte. Hätten sie sie wenigstens richtig getötet. Minh machte uns auch auf zwei gesunde Schlangen aufmerksam, eine davon eine Kobra, zum Glück nicht allzu groß. Wir sahen grasgrüne Grashüpfer, bunte Grillen und verschiedene grüne, schlanke Eidechsen. Gegen Mittag war unser Hotelrundgang beendet. Beim Essen war das Restaurant voll mit vietnamesischen Wochenendausflüglern.
Wir dachten, wir könnten danach endlich unser Zimmer beziehen, aber es war, obwohl bereits 14 Uhr, noch immer belegt, sodaß wir uns dazu entschlossen, einen etwas entfernteren Wanderweg abzulaufen, wofür wir erst 3km die Straße hinablaufen mußten. Unterwegs gelang es uns, einen Goldkehl-Bartvogel (Golden-throated Barbet) zu sehen, die man fast überall und ausdauernd hier oben rufen hört, aber man sieht sie eben nur schwer. Im dichten Blätterwerk sah ich auch einen Blauflügel-Blattvogel (Bluewinged Bluebird). Außerdem flogen pfeilschnelle Fahlbauch-Fruchttauben (Mountain Imperial Pigeon) über die Straße, deren eulenhaften Ruf man auch den ganzen Tag über hören kann. Der Wanderweg führte dann durch ein ziemlich intaktes Stück Wald mit wenig Unterwuchs und einigen imposanten Urwaldriesen. Das Gelände war steil und steinig. Immer wieder mußten wir kleine Umwege laufen, da über den Weg furchterregende Spinnen ihre dicken Netze gebaut hatten und nun auf Opfer lauerten. Inzwischen waren auch die verschiedenen Zikaden wieder aufgewacht, unter ihnen mein besonderer Favorit. Sie imitiert haargenau das Geräusch einer Kreissäge, und man fragt sich, wer hier wem nacheifert.
Nach unserer Rückkehr konnten wir endlich unser Zimmer beziehen, fensterlos und direkt neben dem Generator, der aber um 22.30 Uhr ausgeschaltet wird. Dafür konnten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang über den Bergen von Laos auf unserer Terrasse beobachten. In der Dunkelheit dann zeigten sich einige imposante Nachtfalter, wie man sie in Deutschland nicht zu sehen bekommt.
5. August
Das war keine allzu gute Nacht. Zunächst konnte ich noch wunderbar einschlafen trotz des Generators, der auch nicht viel lauter klang in unserem Zimmer als eine Klimaanlage. Auch die vietnamesische Gruppe, die bis spät in die Nacht schiefe Lieder sang, störte mich nicht. Erst als unsere britischen Nachbarn in einem Anflug von kultureller Unsensibilität sich schreiend über die Musik beschwerten, wachte ich wieder auf. Dann hielten mich im Wind schlagende Hoteltüren, unsere eigene Tür, die sich von Zeit zu Zeit wie von Geisterhand öffnete, um nach einer Weile wieder zuzuschlagen, und schließlich eine Maus, die durch die offene Tür ins Zimmer gelangte und nicht wieder heraus fand, wach. Selbst auf meinem Bett vermutete sie den Ausgang. Gegen 3.30 Uhr dann klingelte der Wecker, denn wir wollten den Sonnenaufgang vom Gipfel aus fotografieren, was wir uns dann aber anders überlegten, als wir die Wolken am Himmel sahen.
So standen wir erst spät auf und hatten auch kein richtiges Programm für den Vormittag. Daher lief ich einfach mit dem Fernglas los. Vorher aber konnte ich meinen Toilettenbesuch nicht länger mehr aufschieben, obwohl die Toilette weit eher aus einem Loch in der Erde bestand. Neben hupenden Autos und einheimischen Wanderern, die mit plärrenden Radios den Nationalpark genossen, gelang es mir auch, ein paar Vögel zu sehen: eine Rebhuhn-Art blieb unbestimmt, aber ich sah Diamantschnäpper (White-gorgetted Flycatcher), Blaßbauchbülbüls (Puff-throated Bulbul) und einen Goldkehl-Bartvogel, der diesmal ganz leicht zu entdecken war, was ja sonst immer so eine Art Sport ist, wenn man versucht, die bunten Vögel im Geäst zu entdecken. Im Hotel sah ich ein rotes Hörnchen, daß den zum Trocknen ausgelegten Reis stiebitzte.
Da das Gelände so steil und unzugänglich ist, hat man gar keine Wahl, als sich an die Wanderwege im Park zu halten. So liefen wir nach einem zeitigen Mittagessen wieder den Weg zum Rhododendron-Wasserfall, den wir schon einmal mit Liesje besucht hatten. Unterwegs entdeckte ich eine ganz kleine Eule, einen Wachtelkauz (Collared Owlet), zufällig im Blattwerk, als ich mal wieder versuchte, einen rufenden Goldkehl-Bartvogel zu entdecken. Im Eingangsbereich des Wanderweges türmten sich inzwischen imposante Müllberge. Am Wasserfall angekommen, beobachteten wir die Graurücken-Scherenschwänze, hielten uns damit aber nicht lange auf, denn heute hatten wir uns vorgenommen, den Weg bis zum Fuß des Wasserfalls, insgesamt über 689 Stufen, hinabzulaufen. In dieser Richtung fiel es uns auch leicht, und wir wurden mit einer schönen Aussicht belohnt, um aber wieder hochzukommen, galt es, an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit zu gehen. Völlig naßgeschwitzt quälten wir ins hinauf, dabei den Weg in kleine Abschnitte einteilend.
Die Hitze setzte uns zu, und oben waren wir erst einmal reif für eine längere Pause.
Weiter ging es dann über einen Verbindungsweg zum bei Touristen so beliebten 5-Seen-Weg, den wir so an dessen Ende, dem 5. See, erreichten. Der Weg in seiner vollen Länge wurde noch abenteuerlicher, als er uns bereits am Vortag, als wir nur einen Teil abliefen, erschienen war. Er führte über Holzleitern, wacklige Brücken und schmale Grate, teilweise über die Felsen, an den 5 Seen, die zum Baden einluden, vorbei. Wiederum bei dem 5. See angelangt, ließen wir uns auch dazu verlocken, aber das Wasser war eiskalt.
Nach einer langen Wanderung schließlich kamen wir müde und erschöpft im Hotel an, wo dafür ein prächtiges Abendessen mit Steak und Pommes frites wartete. Am Abend dann gab es statt Sonnenuntergang über den Bergen von Laos nur Regen über Bach Ma.
6. August
Der Tag begann früh, zwar nicht so früh, daß ich noch hätte zum Gipfel laufen können, um den Sonnenaufgang zu sehen, da es wieder zu wolkig war, aber dennoch früh genug, um vor den Vietnamesen, den Frühaufstehern, aufzustehen, das heißt vor Sonnenaufgang. Leider hätte ich mir das fast sparen können, denn Vögel konnte ich kaum Beobachten aus Mangel an Vögeln. Bevor es hell wurde, riefen und sangen sie auch noch nicht. Später sah ich dann einen Goldkehl-Bartvogel, aber sonst begegnete mir nur noch ein rastloser Schwarm Rotohryuhinas (Striated Yuhina) in den Kiefern am Weg.
Für eine Stunde Schlaf reichte es noch, dann begann der Tag richtig. Clare und Liesje kamen hochgefahren zusammen mit einer Freundin Clares aus Australien, und wir erkundeten zusammen das Wegenetz.
Mr Minh war unser Führer. Wir liefen den Dschungelweg zum Gipfel, genannt Nature Exploration Trail, was, so Mr Minh, eine Umschreibung des Begriffes Ökotourismus sei, den man aber in Vietnam nur schlecht verwenden kann, da die Vietnamesen darunter jeden Aufenthalt in der Natur verstehen, unabhängig davon, was man dort macht. Also ist, wer das Radio laut stellt, seinen Müll hinter sich wirft und mit Steinen auf Tiere zielt, ein Ökotourist, wenn er diesen Tätigkeiten nur in der freien Natur nachgeht. So sehr man für die Vermarktung bestimmter, durchaus positiver Anliegen auf Begriffe angewiesen ist, so leicht lassen sie sich auch mißbrauchen.
Auf dem Weg gab es sehr viele Blutegel, so daß Minh riet, die Socken über die Hosen zu ziehen, was nicht so einfach ist, wenn man, wie ich, kurze Hosen trägt. Minh erzählte viel über die Geschichte des Parks in der Zeit der Franzosen und während des Krieges. Es gibt sogar noch Tunnelsysteme des Vietcong sowie der südvietnamesischen Armee, deren Leute hier stellvertretend für die Amerikaner sterben durften. Einer der Eingänge ist leicht zugänglich, aber ein penetrant widerwärtiger Geruch, der aus dem Inneren strömt, sorgt dafür, daß keine Abenteuerlust aufkommt.
Als wir an einem Altar vorbeikamen, klärte uns Minh über das Geheimnis der Zigarettenkippen auf, die dort drin auf Räucherstäbchen steckten. Was man hätte für einen Akt antireligiöser Verhöhnung halten können, war in Wirklichkeit ganz anders gemeint: Wenn einem Lebenden die Zigarette gut schmeckte, dann sollten auch die Vorfahren an diesem Vergnügen teilhaben dürfen, weshalb man ihnen eine brennende Zigarette in den Altar steckte. Davon, daß sie die Gabe nicht verschmähten, zeugten die aufgeschmauchten Kippen.
Gegen Mittag, als wir fast keine Schatten warfen, umgab die Sonne ein Regenbogen. Minh sagte, das sei ein Zeichen der Trockenheit. Vom Gipfel ging es dann hinab zum 5-Seen-Weg. Wieder fanden wir eine tote Schlange, und ich sah auch Gangesbrillenvögel (Oriental White-Eye). Wir liefen nur den leichten Weg, der vom 1. direkt zum 5. See führte. Minh klärte uns unterwegs über die verschiedenen Pflanzenarten auf: Bambus, Rattan, Betelnüsse etc. Dann verabschiedete er sich, und wir liefen ohne ihn zum Rhododendron-Wasserfall. Clare und ihre Freundin ergriffen bald die Flucht vor den vielen Wespen, der Rest von uns genoß die schöne Aussicht und das kalte Wasser.
Nachdem wir zurück zur Straße gelaufen waren, ging es per Auto wieder ganz nach unten. Dort angekommen, empfing uns die gewohnte Hitze, die wir nicht vermißt hatten. Außerdem hatte ich ein seltsames Gefühl im Ohr vom Höhenunterschied. Die Leute von der Kantine begrüßten uns freundlich, kamen doch ihre besten Kunden zurück. Auch der Wächter über den Parkeingang in seiner Uniform, ein wichtiger Mann, der uns bei unserem ersten Ausflug in den Park noch Geld abnehmen wollte, lächelt uns immer freundlich zu, seitdem wir bei einer der Parties eifrig mit ihm angestoßen haben. So findet man Freunde.
Am Abend verlor ich ziemlich deutlich beim Mühlespiel gegen Tom. Jetzt sitzt er gerade über seinem Tagebuch und schreibt wohl zufrieden: Habe heute Ringo wieder vernichtend beim Mühlespielen geschlagen. Die Nachrichten aus der Welt verfolgte ich heute bei "Voice of Russia", so daß ich die Liste der Länder, aus denen ich englischsprachige Sendungen mit meinem kleinen Weltempfänger hören konnte, wieder erweitern kann. Zuvor war mir das schon mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Australien, Japan, Taiwan, China und den Philippinen gelungen, außerdem gibt es noch, manchmal am Abend, die Deutsche Welle als Verbindung zur Heimat.
Beim Abendessen fiel einer der vielen Geckos, die in der Nähe der Deckenlampe nach Insekten jagen, direkt in unseren Salat, um dann, etwas verwirrt, wieder den Weg nach oben anzutreten.
7. August
Am Mittag verabschiedete sich Clare nach England. Gerade als sie gegangen war, klopfte ein Mann aus dem Dorf mit einem Stock auf das Metallschild, das die Verhaltensregeln im Park erklärt, was das Zeichen ist für ein Feuer. Wir saßen gerade beim Mittagessen. Eine große Aufregung entstand, alles sprang auf und fuhr mit den Mopeds zum Feuer, beladen mit Spitzhacken und Wasserkanistern. Tom sollte auch mit. Als er zurückkam, sagte er aber, das Feuer war schon aus und hatte zum Glück auch keinen größeren Schaden angerichtet.
Wir haben heute auch endlich Hernn Linh getroffen. Er leitet die Ökotourismus-Abteilung im Park und ist damit sowohl unser als auch Liesjes Vorgesetzter. Bislang hatte er auf einem Lehrgang geweilt. Nach Clares Abreise haben wir mal ihr Zimmer inspiziert. Vielleicht ziehen wir nächste Woche um, immerhin haben wir schon einen einen Wasserfilterer geerbt.
8. August
Zwar ist es erst Donnerstag, aber da wir am letzten Wochenende fleißig im Park gearbeitet haben, beginnt die arbeitsfreie Zeit für uns schon heute. Wir haben uns entschieden, nach Hoi An zu fahren, also zurück über den Wolkenpaß in Richtung Süden.
In Cau Hai, an der N1, mußten wir nicht einmal lange warten, bis der Bus aus Hue kam und uns mitnahm. Er hielt auch wieder an genau denselben Stellen an wie auf der Hinfahrt. Unterwegs gibt es wunderschöne Strände, und es ist einfach schade, daß man dort nur 20 Minuten Aufenthalt hat, aber wir könnten theoretisch ja auch mit den einheimischen Bussen fahren...
Als wir wieder die Marmorberge ereichten, nutzten Tom und ich die Zeit, um eine der Höhlen im Inneren zu besuchen, in der es, wie deutlich zu riechen war, vor Fledermäusen nur so wimmelte. Aber der Anblick der großen Höhle war beeindruckend. Ein paar Kinder führten uns und baten dafür um eine Gabe für Buddha.
In Hoi An mußten wir erst einmal eine Weile nach einem Hotel suchen, denn so viele schien es davon gar nicht zu geben, wahrscheinlich war aller Platz von den zahllosen Schneiderstuben besetzt. Hoi An macht den Eindruck eines kleinen, ruhigen Städtchens. Da es abseits der N1 liegt, ist es weniger geschäftig, was der Stadt gut bekommt. Für heute ließen auch wir es ruhig angehen, schlenderten ein wenig durch die Stadt und genossen die Annehmlichkeiten eines Touristenortes, die wir manchmal in Bach Ma, das zu weit abseits liegt, doch vermissen.
9. August
Während wir auch den Vormittag ruhig angehen ließen, ging ich am frühen Nachmittag zum ersten Mal das Wagnis ein, aktiv am vietnamesischen Straßenverkehr teilzunehmen, als Tom und ich Fährräder mieteten, um damit die 4 Kilometer zum Strand zu fahren.
Zum Glück ist Hoi An so ein verschlafenes Städtchen im vietnamesischen Maßstab, so daß sich die Sache nicht allzu schwierig gestaltete. Ärgerlich ist nur, wenn man sich abstrampelt und dabei ständig von überheblichen Westlern überholt wird, die sich ein Moped gemietet haben.
Der Strand war natürlich wieder traumhaft: wenige Leute, was auch daran liegt, daß die Einheimischen sich um die Mittagszeit nur stark vermummt an den Strand wagen und das Areal weitgehend den Westlern mit ihrem Braune-Haut-Tick überlassen, außerdem klares Wasser bis in mehr als 2 Meter Tiefe, feinster Sand, genau die richtige Wassertemperatur, kein allzu hoher Salzgehalt und phantastische, steil aus dem Wasser ragende Inseln vor der Küste. Ich habe auch eine winzig kleine Krabbe gesehen, nur leider blieb ich nicht vom Sonnenbrand verschont.
10. August
Auf dem Programm des heutigen Tages stand ein Ausflug zum Cham-Heiligum My Son, das auf halbem Wege von Hoi An nach Kambodscha liegt. Unterwegs im Bus sah ich auf den Leitungen viele Bienenfresser sitzen und ab und zu auch einen Drongo. Das Bild von den mit Strohhut im Reisfeld schwer arbeitenden Bauern bekam jedoch Risse, als ich mehrmals beobachten konnte, wie sie, mit einem Tornister beladen, Gift im Reisfeld versprühten, was ich bislang nur in dieser Gegend gesehen habe. (Zumindest vermute ich nach meinen Erfahrungen mit deutschen Bauern, daß es Gift ist).
Der Bus hielt schließlich an. Wir mußten eine wacklige Bambusbrücke überqueren, und dann, nach langem Warten, ging es über eine im Bau befindliche Straße mit einem Jeep weiter. In meinem Fall allerdings nur bis der Jeep seinen Geist aufgab. Den Rest des Weges galt es zu Fuß zurückzulegen. Die breite Straße und die vielen kleinen Läden an ihrem Ende nahmen der Szenerie den Großteil an Atmosphäre, als man endlich auf das Gelände der Ruinen blicken konnte. Es ist dennoch ein sehr schöner Ort voller Cham-Tempel, als deren religiöses Zentrum My Son vor rund 1000 Jahren erbaut wurde. Die meisten der Tempel waren, nachdem sie Jahrhunderten getrotzt hatten, von amerikanischen Bomben zerstört worden. Hier und da waren Bombenkrater zu sehen, den militärischen Sinn solcher Aktionen verstehen wohl auch nur Militärs.
Auf unserem Ausflug hatten wir sogar einen Führer, der uns mit Informationen über die Anlage versorgte. Welch ein Luxus im Vergleich zu all den anderen Touristenangeboten, aber die meisten Reisenden schien nicht weiter zu interessieren, was er mitzuteilen hatte. Für sie war es wohl mehr so ein Überbrückungsprogramm, bis der Abend anbrach, das man mitmachen mußte, um dann in Kambodscha oder irgendeinem anderen Land erzählen zu können, man war in My Son. Es ist befremdlich, wenn in so vielen Gesprächen die Listen abgehakter Länder ausgetauscht werden, während man sich fragt, ob diese Klientel auf Nachfragen korrekt antworten könnte, in welchem Lande sie sich gerade befindet. Denn Vietnam spielt kaum eine Rolle in diesen Gesprächen.
Schließlich ging es zurück, erst mit dem Bus, dann per Boot, wo auch ein Mittagessen serviert wurde: Frühlingsrollen mit dieser köstlichen vietnamesischen Fischsoße aus eingelegten gesalzenen Sardinen. Nach einem Zwischenstopp in einem Handwerksdorf kamen wir an im dreckigen, übelriechenden Hafen von Hoi An, aber vielleicht war auch gerade nur Ebbe, die den ganzen Müll freilegte.
Am frühen Abend endete die anhaltende Trockenheit plötzlich in einem heftigen Gewitter. Wir saßen in unserem Hotelzimmer unter dem Dach, als ein Blitz zur Erde zuckte, im selben Moment krachte der Donner los, und der Strom fiel aus. Da zogen wir die relative Sicherheit der Hotellobby vor. Inzwischen hatte jemand einen Generator angeschalten, ich weiß nicht, ob das wegen der Gäste geschah oder wegen des Personals, das aufmerksam eine Liveübertragung aus Saigon vom Finale des Ho-Chi-Minh-Pokals im Fußball zwischen Vietnam und Indien im Fernsehen verfolgte.
11. August
Den Vormittag widmete ich noch einigen Einkäufen, daran kommt man in der Textil- und Souvenirhochburg Hoi An einfach nicht vorbei. Es ist kaum faßbar, welche Begeisterung die vielen Schneider im Ort unter den weiblichen Touristen auslösen können. Man könnte meinen, ein Besuch bei den Schneidern in Hoi An wäre der hauptsächliche Grund, um Vietnam zu besuchen. Wie dem auch sei, ich kaufte keinen Anzug, sondern beließ es bei einem billigen T-Shirt.
Am frühen Nachmittag dann setzten Tom und ich uns wieder in den Bus zurück nach Hue. Glücklicherweise wurde uns diesmal der Stopp an den Marmorbergen erlassen, was wohl für die vielen Händler weniger glücklich war, aber es kaufen sowieso bestimmt nicht so viele ausländische Touristen diese tonnenschweren Marmorlöwen. Als wir dann nördlich des Wolkenpasses doch noch anhielten und in einen anderen Bus gesetzt wurden, vergaß ich darüber meinen mir so wertvollen Hut. Nun wird mein Kopf schutzlos der Sonne ausgesetzt sein.
Der Wolkenpaß zeigte sich übrigens heute tatsächlich einmal in Wolken gehüllt. Man hat, wenn man dort entlangfährt, eine atemberaubende Sicht auf das Meer mit einigen Traumstränden voll hellen Sandes und dabei äußerst abgelegen. Das sieht verlockend aus.
12. August
Ein ereignisloser Tag in Bach Ma ohne die Weltsicht verändernde Erlebnisse. Arbeit halt, die mittlerweile fast Rourine ist, und viel Freizeit.
Beim Abendessen saß der uniformierte Ticketkontrolleur mit am Tisch, und er hatte wohl schon einige Zeit in der Kantine verbracht und einige Huda-Bier intus. Es reichte gerade noch zu einigen unartikulierten "Bottoms up", was eher wie "Bomsup" klang. Tom und ich unterhielten uns über Herrn Keo, als er plötzlich hinter einer Säule hervorlugte. Er hatte offensichtlich seinen Namen gehört. Schließlich machten sich die Leute von der Kantine noch einen Spaß daraus, uns ein wenig mehr Vietnamesisch beizubringen, aber die Methode, blitzschnell alle Gegenstände bei ihrem Namen zu nennen, ist erwiesenermaßen bei mir völlig wirkungslos. So merke ich mir nicht einmal ein einziges Wort.
13. August
Heute war ich endlich einmal dreist genug, mir für den ganzen Tag einen Arbeitsplatz am Computer zu sichern. Endlich einmal Zeit, um damit zu beginnen, das bislang Geschriebene ins Englische zu übersetzen. Als Büroschluß war, wurde ich allerdings herausgeschmissen.
So lief ich hinunter zum Besucherzentrum, wo Tom arbeitete und traf Herrn Linh, der uns einlud, mit einem Parkjeep zum Strand zu fahren. Kurzentschlossen sagten wir zu, auch wenn es nur noch eine Stunde bis zum Sonnenuntergang war. Zu neunt fuhren wir los und trafen in Cau Hai noch Herrn Hung, den Chef von der Kantine, der sein Moped stehen ließ und uns begleitete.
Wir erreichten den Strand, als es schon fast dunkel war, was uns jedoch nicht von einem Fußballspiel im Sand abhielt, auch wenn ich in der Regel entweder nur den Ball oder nur das Tor sah und fast nie beides gleichzeitig, so dunkel war es bereits. Erst als wir aufhörten, bemerkte ich, daß meine Klamotten in der Hitze so naß geworden waren, als hätte ich darin gebaden. Das war mir beim Spielen gar nicht aufgefallen.
In meiner nassen, sandigen Kleidung aß ich dann das Abendbrot: der erste Gang bestand aus wohlschmeckenden Muscheln in Fischsoße, es folgten Krabben, an denen ich weniger Freude hatte, da es so umständlich ist, sie zu essen. Anschließend ging es ins Wasser. Es war sehr flach, aber wir hatten eine wunderschöne Zeit, die Sterne leuchteten über uns, die Venus am hellsten von allen. Linh erzählte, für die Vietnamesen seien der Morgen- und der Abendstern ein Liebespaar, das niemals zueinander finde. Schließlich gab es noch einen dritten Gang, Reissuppe mit Fisch, und nach einer Weile fuhren wir wieder zurück in den Park. Ich hatte den Eindruck, derjenige, der am meisten getrunken hatte, durfte am Ende auch fahren.
14. August
Arbeit: gewöhnliches, unspektakuläres Übersetzen. Die Post brachte mir den Spiegel aus Deutschland, den mir Diana geschickt hatte. Am Abend bezahlten wir nach 20 Tagen im Park unsere Kantinenrechnung. Hung rechnete und rechnete und vertröstete uns erst einmal auf später.
Schließlich errechnete er die erstaunliche Summe von ungefähr 50 DM für jeden von uns - für 4 Wochen regelmäßigen Restaurantbesuch, dreimal am Tag. Dennoch probierten wir es am Abend zum ersten Mal, selber zu kochen.
Dafür organisierten wir uns Tomaten aus der Kantine und den Kocher aus Clares ehemaligem Zimmer.
Spaghetti und Ketchup hatten wir bereits gekauft. Liesje gab uns auch noch einige Zutaten wie Knoblauch, dessen Geruch noch immer an meinen Händen klebt, und Zwiebeln. Aber es half nichts: Nach einigen Minuten ging das Licht aus, es blitzte aus der Steckdose und roch verschmort. Der Kocher hatte seinen Geist aufgegeben, so daß wir in Liesjes Zimmer weiterkochen mußten, was schließlich auch gelang. Sie verfügte sogar über eine im fast käsefreien Vietnam so unschätzbare Köstlichkeit wie Parmesan. Selbst zu kochen, ist definitiv teurer, als essen zu gehen, aber von Zeit zu Zeit durchaus eine Alternative zu, wenn auch köstlichem Reis, Reis, Reis.
15. August
Wir haben heute den Leiter des Parks, Herrn Keo, getroffen, aber erfolgreich war das Treffen nicht. Er hörte sich unsere Fragen bezüglich der Studie an und meinte danach, es wäre viel besser, wenn wir sie noch einmal schriftlich einreichen würden. Aber ich nehme an, daß er vermeiden wollte, ein längeres englisches Gespräch mit uns zu führen, da er das Englische, auch wenn er es zu kaschieren sucht, nicht allzu gut spricht.
Am Abend bekam ich endlich einmal die Deutsche Welle gut rein und hörte von dem Ausmaß der Flut, die sich auch in meiner Heimat, im Altenburger Land, bemerkbar machte.
16. August
Freitag. Am Vormittag arbeiteten wir noch ein wenig, und ich stellte mich mal wieder ins Bad, um meine Wäsche zu waschen. Gegen Mittag ergab es sich dann, daß ein Fahrer vom Park zum Flughafen nach Hue fahren mußte, was uns eine gute
Mitfahrmöglichkeit bot. Da der Flughafen sich ein gutes Stück vor der Stadt befindet, legten wir den Rest des Weges in einem LKW zurück, dessen Fahrer uns freundlicherweise mitnahm.
Also mal wieder Hue und für 3 Tage das Lebens eines Städters führe. Obwohl ich vom ersten Tag gar nichts weiter berichten kann, das normale Travellerleben halt. Leider kommt Hue kulinarisch einfach nicht an Hoi An heran.
17. August
Halb sechs in der Nacht begann unser Tag, denn eine halbe Stunde später bereits kam der Bus, mit dem wir zu unserer heutigen Tour in die Entmilitarisierte Zone (EMZ) fahren sollten, deren Name etwas seltsam ist, bedenkt man, daß dort einige der schlimmsten Schlachten des Amerikanischen Krieges gefochten wurden. Wir fuhren Richtung Norden. Zum Glück zieht die Stadt Hue sich nicht so endlos lang hin wie andere Städte. Bald wurde es sogar ausgesprochen ländlich mit endlosen Reisfeldern und so vielen Wasserbüffeln, wie ich bislang noch nicht gesehen habe. Wir hielten an einer Kirche, die mit Einschußlöchern übersät war. Als wir weiterfuhren, sahen wir entlang der Straße in den Reisfeldern immer mal wieder kreisrunde Tümpel, die nun zur Bewässerung genutzt wurden.
Das versprochene Frühstück entpuppte sich einmal mehr als lieblose Essensverabreichung, garniert mit schimmligem Tomatenketchup, was unseren britischen Tischnachbarn nicht davon abhielt, beherzt zuzugreifen. Aber von nun an gab es einen Reiseleiter, der uns mit ausgesprochen zahlreichen Informationen versorgte. Nur leider spielte oft das Mikrofon nicht mit. Weiter ging es in Richtung Westen nach Laos zu. Der Bus hielt wieder in Khe San, wo, wie das dortige Museum informierte, im Jahre 1968 die langsame Niederlage der Amerikaner eingeleitet wurde. Abgesehen von den Leuten, die Militaria verkauften und einem umherstehenden Panzer nebst anderem Kriegsgerät zeugten keine Spuren mehr davon. Nur das Gras auf dem ehemaligen Landeplatz der Amerikaner will auch heute noch nicht wieder wachsen.
Mitten auf dem Gelände hatte man ein großes neues Haus errichtet, an dem wir allerdings vorbeiliefen, um in ein kleines unscheinbares zu gehen, das das Museum war. Das neue war offensichtlich noch nicht eröffnet.
Im Haus hingen Bilder der bösen Amerikaner, der heldenhaft kämpfenden Nordvietnamesen und vom heroischen Einsatz der Minderheitenvölker gegen die Aggressoren. Man kann durchaus Sympathien für den Kampf der Vietnamesen hegen, aber bei soviel Kriegsverherrlichung und Realitätsausblendung wird einem schlecht. Die generelle Botschaft: Krieg ist vollkommen wunderbar, solange man für die Guten kämpft. Interessante Fragen wie die nach dem Umgang der Nord- mit den Südvietnamesen, als der Krieg zu Ende war, blieben ungestellt. Das Leid der Invaliden, die Schäden an der Landschaft, alles höflich verschwiegen, obwohl dies doch der rechte Ort gewesen wäre, um darüber zu informieren.
Dann fuhren wir wieder ein Stück zurück, vorbei an Kaffeeplantagen des Hochlandes und Pfefferbäumen. Nach dem Mittagessen ging es in den Norden, in die eigentliche EMZ. Am alten Grenzfluß wurde angehalten, auch wenn es inzwischen nichts mehr zu sehen gab und alle LKWs und Motorrädern über die Brücke hinweg bretterten. Während unserer Rückfahrt weideten Wasserbüffel neben dem Denkmal, das an die Vergangenheit erinnern sollte.
Vorher jedoch ging es zum Tunnelsystem von Vinh Moc, in dem während des Krieges ein ganzes Dorf sein unterirdisches Leben führte. Aber inzwischen waren die Tunnel längst in das Tourismusnetz des Landes integriert mit Getränkeverkäufern und Eintrittskarten. Die Tunnelhöhe hatte man nicht angepaßt, aber es erschien auch so relativ geräumig, zumindest wenn man nur 10 Minuten dort unten verbringen muß. Es war dunkel und feucht-warm, und man konnte sich keineswegs vorstellen, daß in diesen Räumen tatsächlich Kinder das Licht der Welt (oder das spärliche Licht der Kerzen) erblickt hatten, um dann noch Jahre dort zu leben. Mit dem Besuch der Tunnel endete auch die Tour. Auch wenn ich mit Kriegstouristen nichts am Hut haben möchte und auch dieser Ausflug nur selektive Eindrücke von der vietnamesischen Vergangenheit gewährte, so kann man ihn doch empfehlen.
Ach ja, schließlich stand noch ein Besuch im einem Minderheitendorf auf dem Programm, der in der Praxis so aussah: Der Bus hielt an der Straße an, und im Tal lag das Dorf. Aha. Aber es ist wohl auch besser so auf diese Weise.
18. August
Wieder mal einer dieser faulen Tage, begünstigt noch durch das Regenwetter. Am Vormittag verließen Tom und ich das Travellerviertel Hues und gingen über den Fluß zur anderen Seite der Stadt, wo der Markt sich befindet. In den Läden mit kopierten CDs fand ich heraus, wo die angejahrte Musik, die in den Bars gespielt wird, herkommt.
Für eine Weile fiel dann auch der Strom aus, aber es gibt ja Generatoren. Am Nachmittag wurde ich zum ersten Mal so richtig naß, als ich im strömenden Regen vom Internetcafe zurück zum Hotel lief. Das Wasser bildete schon beachtliche Pfützen auf den Straßen. Man konnte auch nicht sagen, daß der Regen nachließ. Im Gegenteil. Bei diesem Wetter war es auch aussichtslos, noch einmal zu dem kleinen Supermarkt zu gehen, um die Sachen zu kaufen, die wir für eine weitere Woche in Bach Ma brauchen würden.
Als der Regen etwas nachließ, wagte ich noch einen Ausflug zum Internetcafe. Dort las ich die Nachrichten über das schlimme Hochwasser in Deutschland und blieb noch solange, bis man mich hinauswarf. Eigentlich hatte ich darauf spekuliert, zu warten, bis der Regen, der wieder mit voller Kraft eingesetzt hatte, nachlassen würde, das war aber die falsche Strategie, denn er ließ nicht nach. So mußte ich wohl oder übel da durch, um wieder zum Hotel zu gelangen. Es dauerte nicht lange, bis ich vollkommen durchgeweicht war. Aus Straßen waren inzwischen Ströme geworden, nur die Bürgersteige noch halbwegs begehbar. Schließlich mußte ich aber doch die Straße überqueren. Mopeds kämpften sich noch immer durch das Wasser, die Räder fast völlig versunken. Ich suchte mir die flachste Stelle, an der ich nur bis etwas oberhalb der Knöchel in die Fluten steigen mußte. Die Gasse zum Hotel hatte sich gleichfalls in einen veritablen Bach verwandelt - und dort gab es keinen Bürgersteig. Glücklich im Hotelzimmer angelangt, tauschte ich erst einmal die pitschnassen Sachen gegen trockene.
Etwas später kam Tom und erzählte, daß er schon bis zu den Knien im Wasser stand. Er hatte auch noch ein Treffen in der Bar vereinbart mit einer Französin, die an einer ähnlichen Sache arbeitete wie wir. So hieß es dann, in kurzen Hosen und Badelatschen, wieder hinaus in den Regen zu gehen. Im der Bar war es trocken, jedoch wurde sie so auch zu einem Asyl für Kakerlaken, was zu mancher überraschenden Begegnung mit den Gästen führte, Später ließ der Regen nach. Das Wasser lief zügig ab, und trockenen Fußes konnten wir zurück zum Hotel gelangen.
19. August
Heute einmal kein Regen. Um acht sollten wir den Fahrer vom Park treffen, mit dem wir zurückfahren konnten, doch er tauchte nicht auf. Statt dessen trafen wir andere Angestellte des Parkes, von denen wir immerhin erfuhren, daß es noch bis 11 Uhr dauern würde, was, abgesehen von dem halben Arbeitstag, der uns entging, nicht einmal so schlecht war, denn so konnte ich doch noch in den Supermarkt und auch noch etwas essen gehen.
Um 11 Uhr waren wir wieder zurück, um festzustellen, daß es doch noch eine Stunde länger dauern würde, um welche Zeit es dann aber wirklich losging. Im Bus transportierten wir eine wertvolle Fracht: einen neuen Computer für das Ökotourismusbüro im Park, finanziert von der britischen Botschaft, erstaunlicherweise komplett mit Subwooferboxen und Drucker und Modem.
Im Park angekommen, sahen wir sofort, daß hier der Regen vom Vortag einiges mehr an Schaden angerichtet hatte als in Hue. Besonders betroffen war das erst im Mai eröffnete Besucherzentrum, in das die Feuchtigkeit eingedrungen war. Dach und Fenster sahen nicht sehr hoffnungsvoll aus.
Liesje sagte, sie hätte auch einen Baum gesehen, der entwurzelt im Wasser trieb, und die Straße zum Gipfel sei wegen Erdrütschen unpassierbar.
Zu alldem kam: Mal wieder gab es keinen Strom, was den schönen neuen Computer erstmal wertlos machte. Die Telefone funktionierten auch nicht. Und nur ein kleines Detail, das zeigt, was alles schiefgehen kann: Frau Uyen, die Sekretärin von Herrn Hung, dem Personalverwalter, bei der die Post abgegeben wird, hatte den Schlüssel zum Büro zu Hause vergessen, weswegen sie bis zur Mittagspause in einem anderen Büro arbeitete und dort auch die Post in Empfang nahm. Nach der Mittagspause erzählte sie Tom, daß er 2 Briefe von zu Hause erhalten habe, die allerdings in dem anderen Büro lägen. Nunmehr war allerdings dieses Büro verschlossen, da dessen rechtmäßiger Besitzer unterwegs war und das auch noch eine Weile blieb. Solange wußte Tom von seinen Briefen, aber es half ihm nichts. Was für eine Qual.
Selbst am Abend gab es noch keinen Strom, was uns zum ersten Mal passierte, denn sonst kam er pünktlich zum Büroschluß zurück. Man hätte vermuten können, die Arbeiter hätten die Kontrolle darüber. Gegen 19.30 Uhr wurden wir dann erlöst.
20. August
Wieder einer dieser Vormittage ohne sinnvolle Arbeit, denn gerade als wir anfangen wollten, standen wir wiederum ohne Strom da. Diesmal bis zur Mittagspause. Dann aber wurde der neue Computer vom Personal ausgiebig getestet - sie sahen sich darauf Filme an. Nein, eigentlich war es gar nicht der neue Computer, denn den hatte sich Herr Linh, der Chef, einverleibt, während in unserem Büro sein alter steht, der aber zum Musikhören und Filmekucken zweckentfremdet wird.
Am Abend stellten wir fest, daß eines unserer Fenster ein Stück weit offen war, was zu einem Masseneinflug von Insekten führte - ein Fest für einen Entemologen, für uns ein Anlaß, unter unsere Moskitonetze zu kriechen. Im Gebüsch hinter unserem Gasthaus habe ich einen Bengalenkuckuck (Lesser Coucal) entdeckt, der wohl, wie alle Tiere hier, sehr scheu ist, so daß man ihn immer nur sieht, wenn er ein Stück weit davonfliegt, um sich wieder im Gras zu verstecken.
21. August
Heute mittag hatte sich ein Paar Dschungelkrähen (Largebilled Crow) in die Nähe des Parks verirrt. Ansonsten war der Arbeitstag völlig gewöhnlich: das Wasser, das uns gestern ausgegangen war, kam am Nachmittag wieder, dafür verließ uns der Strom von Zeit zu Zeit. Wegen dem Wasser haben wir zum Glück vorgesorgt mit einer gut gefüllten großen Plastetonne im Badezimmer.
Nach dem Mittagessen liefen wir ein Stück in den Park hinein. Es war bewölkt, die Wolken hingen fast bis zu uns herab, aber zum Glück nicht sehr heiß. Wir sahen natürlich Schachwürger. Durch die Bäume huschten und sprangen zahlreiche kleine, gestreifte Hörnchen (Tamiopus rodolphii), und wir sahen auch Nektarvögel mit leuchtend roter Brust, leider nicht gut genug, um sie genau zu bestimmen.
Am Abend kochte dann Liesje einmal für uns, und noch später am Abend kam Herr Hung von der Verwaltung, um uns eine Blume zu zeigen, die nur in dieser einen Nacht ihre Blüten öffnete. Die Blüte war weiß und riesiggroß. Im nahen Teich quakten und sprangen die Frösche, die gerade Paarungszeit hatten. Zu guter letzt zeigte Herr Hung mir noch das Badezimmer des angrenzenden Hauses, in dem einige der Parkangestellten übernachteten,
denn in der Ecke saß dort eine riesige Spinne mit haarigen Beinen. Es ist ziemlich interessant, was nachts alles unterwegs ist, das sollte man sich öfter mal anschauen. Leider verflog sich noch ein kleiner Vogel zu uns ins Gasthaus, der mit der Treppe kollidierte. Er sah nicht gut aus und wird die Nacht wohl nicht überleben.
22. August
Heute mal keine langweiligen Details über Strom und Wasser, dafür etwas mehr Naturbeobachtungen. Angeregt durch unseren gelungenen gestrigen Ausflug in den Park bin ich heute bereits um 6 Uhr aufgestanden und wieder ein Stück in den Park hineingegangen, schaffte es aber in 2 Stunden nicht einmal bis zu der Stelle, an der ich gestern mit Tom wieder umgedreht war, denn überall gab es interessante Sachen zu sehen, für die es lohnte anzuhalten. Es scheint, daß nach dem Regen entweder die Vögel aktiver werden, oder aber es sind mehr geworden. Seltsam genug, auch ihre Scheuheit läßt nach.
Ich lief ein kurzes Stück bis zu einer Stelle, an der ich mich hinsetzen konnte und einen guten Überblick über einen mit Sträuchern bewachsenen Hang hatte. Von dort aus beobachtete ich neben Schwachwürgern und Perlhalstauben
einen kleinen Trupp Spatelbaumelstern (Rackettailed Treepie). Hinter mir, in einer Kiefer, saß für eine Weile ein Grünschnabelkuckuck (Green-billed Malkoha), der durch seinen langen Schwanz eine beeindruckende Größe erreichte. Schließlich flog noch ein Braunliest (White-throated Kingfisher) vorbei, der sich erst auf einer Stromleitung niederließ, dann flog er laut rufend weiter, seine blauen Flügel bildeten dabei einen wunderschönen Kontrast zu den grünen Bergen. Als ich schließlich noch ein Stück die Straße entlangging, sah ich eine vollkommen unscheue Baumstelze (Forest Wagtail), die laut der Liste des Parks nur als seltener Wintergast auftreten soll.
Am Nachmittag ging ich mit Tom noch einmal in den Park mit dem Ziel, gute Fotos von einer Kannenpflanze zu machen. Wir hatten eine gesehen, als wir das allererste Mal im Park waren, liefen jedoch daran vorbei, weil wir erstens dachten, wenn wir sie so zeitig sehen, dann ist sie auch häufig, und zweitens nahmen wir an, beim Hinunterlaufen wieder dran vorbeizukommen, was zwar stimmte, nur war es da schon zu dunkel. Wir fanden die Pflanze auch, sahen sogar ihre Blüten, und außerdem gelang es mir, einen Karmesinnektarvogel (Crimson Sunbird) zu entdecken, obwohl die Vögel schon deutlich ihre Aktivität zurückgeschraubt hatten gegenüber heut morgen. Dafür gab es sehr viele Insekten, vor allem scheint es seit dem Regen mehr Schmetterlinge hier zu geben.
23. August
Der heutige Tag begann noch früher als der gestrige, denn die Vogelwelt im Park lockte mich einfach nach draußen. Ich lief ein Stückchen weiter als gestern und konnte auch wieder einige interessante Arten beobachten: Nicht allzu weit vom Eingang entfernt lebt ein Trupp Weißhaubenhäherlinge (Whitecrested Laughingthrush), deren Gesang ich auch schon oft in der Nähe unseres Hauses gehört habe. Nach den Spatelbaumelstern gestern sah ich heute andere Baumelstern, in Englisch Ratchettailed Treepie, ihr deutscher Name ist mir nicht bekannt. Schließlich sah ich noch einige Rotstirn-Schneidervögel (Common Tailorbird), bevor ich wieder hinablief, um mich der Arbeit an der Studie zu widmen.
Am Abend spielte ich mit Tom ein wenig Federball. Neben dem Haus der Wildhüter befindet sich eine Halle, die extra diesem Zweck dient. Zuerst spielten noch einige der Einheimischen, und es war wirklich eindrucksvoll, sie spielen zu sehen. Sie spielten auch ein kurzes Doppel mit uns, aber es dauerte nicht lange, bis sie gingen. Man brauchte kein Vietnamesisch, um zu verstehen, daß sie sich von unserem Niveau nicht unbedingt ein interessantes Spiel versprachen. So aber konnten wir, von gelegentlichen Besuchern abgesehen, unbeobachtet üben, was uns ganz recht war. Leider hat in diesem Klima jedoch jede sportliche Betätigung etwas Absurdes an sich. Nach nicht langer Zeit war meine Kleidung so naß wie nach einem Bad. Glücklicherweise erhielt ich durch meinen Erfolg über Tom das Recht, als erster duschen zu dürfen.
24. August
Auch dieser Tag begann früh, genauer um 4.30 Uhr, als es noch dunkel war, denn wir wollten das heute beginnende Wochenende nutzen, um, halb für unsere Studie, halb als Touristen, zum Gipfel hoch zu laufen und bis zum nächsten Tag dort oben, im Kühlen, bleiben.
Die 15 Kilometer Weg, die von fast Meereshöhe bis in 1400m ü. NN führen, waren zwar anstrengend, aber weniger schlimm als gedacht.
Solange die Sonne noch nicht aufgegangen war, ließ es sich gut wandern. Später dann blieb sie zum Glück hinter Wolken verborgen und kam erst wieder zum Vorschein, als wir auf der anderen Seite der Berge wanderten, so daß wir uns im Schatten befanden. An den sehr aktiven Vögeln liefen wir meist einfach vorbei, um schnell in kühlere Gegenden gelangen zu können. Einmal flog ein schwarzer Adler vor uns weg, vielleicht ein Malaienadler? Wir sahen immerhin possierliche Spitzhörnchen auf der Straße, die wie Hörnchen aussahen, aber wohl eher mit den Affen und auch mit uns, den Menschen, verwandt sind, auch wenn man das kaum glauben kann.
Weiter oben dann wurde es, trotz des anbrechenden Tages, langsam kühler, und dennoch legten wir zahlreiche Pausen ein, um Kraft zu tanken für die letzten Kilometer. Nach 5 Stunden Wanderung erreichten wir schließlich das Hotel und setzten unseren Weg nach ganz oben zum Gipfel erst nach dem Mittagessen fort. Ich hatte immer wissen wollen, wie das hier oben wohl ist, wenn der Berg im Nebel hängt, aber der Nebel, der von unten wie eine dichte Wand erscheint, ist hier immer nur an manchen Stellen. Als wir dann einmal in ein solches Nebelfeld gerieten, sahen wir fast nichts mehr. Doch nach nicht langer Zeit zog er weiter und gab sogar die Aussicht bis ganz nach unten frei. Das Gipfelhaus, das Ziel unserer Wanderung, war leider verschlossen. auf dem Rückweg zum Hotel machten wir einige Fotos zur Dokumentation unserer Studie. Vögel sahen wir auch: Weißbrauen-Würgertimalien (White-browed Shrike-Babbler) und eine nicht bestimmbare Mennigvogelart, die Männchen leuchtend rot, die Weibchen nicht weniger leuchtend gelb.
Am Abend gingen wir noch auf eine relativ erfolglose Nachtwanderung. Dafür war die Geräuschkulisse beeindruckend, von der Kreissägen-Zikade bis zu den lauten Fröschen in den Bäumen.
Danach saßen wir noch eine Weile mit unseren beiden deutschen Zimmernachbarinnen und einem vietnamesischen Lehrer mit breitem amerikanischen Akzent vor dem Restaurant im Freien. Der Lehrer erklärte seinen Akzent damit, einen amerikanischen Englischlehrer gehabt zu haben, weswegen ich doch ziemlich froh bin, daß die Englischlehrerinnen im Park bislang immer auch aus Großbritannien kamen. Der Lehrer hatte auch selbstgemachten Bananenwein mitgebracht, wobei Wein in Vietnam fast immer eine Umschreibung für Schnaps ist. Zum ersten Mal in Vietnam gelang es mir, eine Unterhaltung mit einem Einheimischen zu führen, die auch das Gebiet der Politik umschloß, auch wenn der Lehrer, vielleicht aus Show, sich hin und wieder umwandte, ob nicht jemand in der Nähe sei. Seine Eltern, die in der Südregierung gearbeitet hatten sowie ein Bruder lebten in den USA, aber er selbst gab vor, das Land nicht zu mögen, und seine Einstellung gegenüber der vietnamesischen Regierung war auch nicht sehr positiv, jedoch hätte sich seit den Reformen von 1986 einiges im Land geändert.
25. August
Wir wollten so gern noch einmal den Sonnenaufgang vom Gipfel aus erleben, als es aber Zeit war aufzustehen, zog ich doch das Weiterschlafen vor, was ich später bereut habe, denn als ich noch einmal aufwachte, sah ich den blauen Himmel und einige Wolken, die von den Strahlen der aufgehenden Sonne in rot-oranges Licht getaucht wurden. Ein wenig später, gegen 6, hielt es mich dann nicht länger mehr im Bett, und ich entschied mich, über den Nature Exploration Trail zum Gipfel zu laufen. Unterwegs sah ich Weißohrhäherlinge (Whitecheeked Lauginghthrush) und am Orchideenhaus eine Stutzschwanztimalie (Streaked Wren Babbler).
Im Wald war es noch recht dunkel und sehr ruhig, aber immerhin begegnete mir eine Bindenschwanztaube (Barred Cuckoo Dove).
Leider hatte ich auf diesem Weg auch mein erstes unangenehmes Erlebnis mit Blutegeln, denn eines hatte sich durch die Socken in den Fuß gebohrt und dort Blut gesaugt. Es ließ sich aber leicht entfernen. Später liefen wir dann mit unserem Gepäck wieder abwärts, zum Glück nur für ein paar Kilometer, dann nahm uns ein W50 mit. Am Fasanenweg ließen wir uns absetzen und liefen die etwa 3 Kilometer bis zum Ende dieses Weges. Leider war es in diesem Teil des Parkes schon reichlich wärmer, und der Weg bestand aus einem ständigen Auf und Ab. Doch am Ende lohnte sich all der Schweiß, denn dort befand sich ein wunderbarer klarer Pool an einem kleinen Wasserfall, eine unablehnbare Einladung zum Schwimmen. Im Wasser schwammen kleine Fische, das Baden und Tauchen war ein einziges Vergnügen. So könnte man einen ganzen Tag verbringen. Nur leider mußte ich feststellen, daß inzwischen der zweite Blutegel mich angesaugt hatte, und einige weitere lauerten bereits an Schuhen und Socken.
Dann jedoch war es Zeit, den Rückweg anzutreten, und vorbei war es mit der Erfrischung und dem angenehmen Nichtstun. Auch wenn ich mir fest vorgenommen hatte, nicht zu schwitzen, blieb das natürlich nur ein frommer Wunsch. Dem 3km-Rückweg bis zur Straße folgten weitere 5 bis zum Ausgang ganz unten, wo wir dann reif waren für eine Cola mit Eis und den Tag ausklingen ließen, was in meinem Fall hauptsächlich aus nachgeholtem Schlaf bestand. Vorher mußte ich jedoch noch feststellen, daß ich insgesamt siebenmal angezapft worden bin von den Blutegeln. Das letzte ließ gerade, als ich es bemerkte, los und hatte sein Werk vollendet.
26. August
Herr Keo hat nun doch unsere schriftlichen Fragen beantwortet, und ich glaube auch zu wissen, warum er nicht im Gespräch antworten wollte, denn er hielt seine Ausführungen in Vietnamesisch. Sein Englisch ist wohl doch nicht so gut, auch wenn er gern den Eindruck erwecken will. Am Abend wurde nichts aus unserem Federballspiel, da dort ein großes, viertägiges Turnier stattfindet. Immerhin konnten wir zusehen, und ich hatte Zeit, der Frage nachzugehen, warum die Vietnamesen so gut spielen und ich so schlecht. Bei ihnen sieht man gar nicht, daß das Spielen Anstrengung bedeutet.
Es macht Spaß, sich unter so vielen Leuten aufzuhalten und dabei als weißer Europäer, abgesehen von tatsächlich ernstgemeinten Verkupplungsversuchen und den Kindern, die die weißen und behaarten Arme bestaunen, keine Aufregung zu erzeugen, sondern man nimmt kaum Notiz von mir.
27. August
Der Morgen begann mal wieder früh, wenn auch nicht mit dem Sonnenaufgang, aber immer noch früh genug, um neben Rotstirn-Schneidervögeln, Weißhaubenhäherlingen, Spatelbaumelstern und Ratched-tailed Treepies noch Streifenkehlbülbüls (Stripe-throated Bulbul) und einen wunderschönen rot-blauen Tickellblauschnäpper (Tickell's Blue Flycatcher) zu sehen. Der Rest vom Tag: inzwischen schon Routine.
28. August
Gestern war Stefan, der deutsche DED-Arbeiter im Park, der zusammen mit Liesje unser Projekt der CDG vorgeschlagen hatte, aus Deutschland zurückgekommen. Heute saßen wir eine Weile mit ihm zusammen in der Kantine und sprachen bei Cola und Eis über Bach Ma und alle möglichen Themen, natürlich auch über die Frage, wie man es eigentlich schafft, beim DED, dem Deutschen Entwicklungsdienst, unterzukommen.
Früh am Morgen war mein Ausflug in den Park diesmal nicht so spektakulär, denn ich sah gar nichts außer den Karmesinnektarvögeln. Abends kochten wir mal wieder leckere Spaghetti bei Liesje. Das ist immer einer der Höhepunkte der Woche.
29. August
Linh monierte, daß wir sein siegreiches Federballspiel am Vorabend verpaßt haben, aber da kochten wir ja gerade Spaghetti. In unserem Büro bildete sich eine belebte Ameisenstraße, die zu einem armen, noch lebendigen Rosenkäfer führte, der hilflos, von den Ameisen bedrängt, auf dem Boden lag.
Beim Mittagessen hatte das Mädchen, das servierte, seltsamerweise den Reis vergessen, und wir mußten erst danach fragen. Das war doch noch nie passiert, das Allerwichtigste beim Essen. Beim Frühstück erfüllte sich unser Wunsch, einmal statt Omelett gekochte Eier serviert zu bekommen. Dafür war es notwendig, die vietnamesische Übersetzung, die ich aus meinem Reisewortschatz gesucht hatte, auf einen Zettel zu schreiben, denn an der Aussprache wollte ich mich nicht versuchen. Wer weiß, was ich dann bekommen hätte. Ich finde es schade, daß die Leute so schlecht Englisch sprechen, aber das eigentlich Schlimme ist doch mein schlechtes Vietnamesisch. Die Eier, die ich bekam, waren dann aber furchtbar weich, fast roh, so daß ich bis zum nächsten Mal wieder einen Blick ins Wörterbuch werfen muß. Leider brauchen wir für unsere Arbeit eigentlich auch keine Sprachkenntnisse, lediglich für den Alltag sind sie wichtig, aber der Antrieb, sich mit dem Sprachenlernen zu beschäftigen, ist ob der Heiterkeit, die man mit der falschen Aussprache auslöst, bei mir gering. Immerhin bin ich in der Lage, ein einfaches Gespräch (und ich meine ein wirklich einfaches Gespräch) mit dem Gärtner zu führen, wenn ich ihm begegne.
Am Abend trafen wir uns mit Liesje, Stefan und seiner taiwanesischen Frau in einem kleinen Lokal, eher einem Getränkestand mit Hockern und kleinen Tischen, dessen Besitzerin sich wegen bis dahin mangelnder Kundschaft schon schlafengelegt hatte.
Danach ließ ich mir von Tom in der klaren Nacht das eine oder andere Sternbild zeigen. Die Fledermäuse jagten. Wir sahen den Kopf des Skorpions am Horizont untergehen, während der Schütze langsam auftauchte. Ab und zu fiel eine Sternschnuppe herab.
30. August
Heute soll Linhs Aufnahme in die Kommunistische Partei erfolgen, weswegen er schon ganz aufgeregt ist, aber wir werden es nicht mitbekommen, da es mich über das Wochenende nach Hoi An zieht und Tom gleich weiter nach Nha Trang. Wir liefen diesmal die 3 Kilometer vom Park bis zur Hauptstraße N1. Überall lag frisch geernteter Reis an der Straße, und wir müssen uns wohl beeilen, wenn wir unsere Klischeefotos von Vietnamesen bei der Reisernte noch schießen wollen. Das Wasser ist von den Feldern abgelassen, auf den abgeernteten Feldern grasen Wasserbüffel.
Am Wolkenpaß dauern die Straßenbauarbeiten immer noch an. Da ist wohl auch kein Ende in Sicht. Wir fuhren an einem verunglückten LKW vorbei, der halb auf der Straße lag und nicht so aussah, als hätte der Fahrer den Unfall unbeschadet überstanden. Schließlich erwischte es auch uns: In Da Nang warteten wir fast eine Stunde, bis der Fahrer unseres Busses irgendein Teil am Motor ausgewechselt hatte. Das ersparte uns zum Glück einen weiteren Besuch der Marmorberge, wo es mich nicht wirklich zum dritten Male hinzog.
In Hoi An suchte ich mir diesmal ein gehobeneres Hotel. Tom verabschiedete sich später nach Nha Trang, und ich leistete mir den Luxus, in meinem Hotelzimmer ein Bad zu nehmen, was, wie ich einsehen mußte, aber Unsinn war, denn so kalt läßt sich die Klimaanlage gar nicht stellen, als daß man nicht beim Baden schwitzt.
31. August
Die ganze Stadt ist geschmückt mit vietnamesischen Fahnen und rot-gelben Plakaten, denn übermorgen wird der Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung durch Ho Chi Minh gefeiert, der Nationalfeiertag. In Anbetracht der Tatsache, daß zu diesem Zeitpunkt die Franzosen noch im Lande standen, war diese Erklärung wohl kaum mehr als ein symbolischer Akt, aber die Ironie ist nicht zu übersehen, daß Ho sich dabei an der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung orientierte. Es scheint, als würden sämtliche Plakate neu gefertigt, denn sie tragen auch die aktuelle Jahreszahl, aber das dürfte in der Stadt der 1000 Schneider auch kein Problem sein.
Den Nachmittag verbrachte ich heute faul am Strand. Ich hatte den Eindruck, das Wasser sei inzwischen wärmer geworden. Es erfrischt gar nicht mehr. Am Abend schließlich gönnte ich mir ein 5-Gänge-Menü in einem der empfehlenswertesten Lokale von Hoi An, dem Café des Amis. Dort gab es keine Speisekarte, dafür konnte man wählen zwischen Fisch oder einem vegetarischem Mahl, und was schließlich auf den Tisch kam, war köstlich. Leider wurde es nichts mit meinem Ausflug nach My Lai, der Stätte des bekanntesten der amerikanischen Massaker während des Krieges. Ich habe den Eindruck, alle Touristen werden in die Busse nach My Son getrieben, so daß man, will man woanders hin, nur einen Mietwagen nehmen kann, was leicht das Budget sprengt. Es ist interessant, daß von den wenigen touristischen Zielen, die überhaupt angeboten werden, viele trotzdem nur schwer erreichbar sind und offensichtlich ein Interesse besteht, die Touristen, anstatt sie sich verteilen zu lassen, an wenigen Orten übersichtlich zu konzentrieren.